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Atmosphärische Führung als Eindruckskunst

Wer einen Raum betritt, sieht sich in der Regel erst einmal um und macht sich von seiner Umgebung und den in ihr befindlichen Menschen einen Eindruck. Schnell stellt man fest, ob es sich bei den Anwesenden um Bekannte oder Fremde handelt. Ist es ein Bekannter, schaut man, ob er sich verändert hat, oder welchen Eindruck er macht. Ist es ein Fremder, versucht man ihn einzuschätzen und nimmt zunächst wahr, ob er einen sympathischen oder unsympathischen Eindruck macht.

Was aber sind eigentlich Eindrücke? Und was haben Eindrücke mit Atmosphären zu tun? Ist die Rede vom Eindruck nur metaphorisch? Wer drückt dann beim Eindruck was ein? Oder: Was wird von wem eingedrückt? Einerseits scheint die Rede vom Eindruck eine Metapher zu sein, die beispielsweise von einem Siegel gewonnen werden kann, das beim Eindrücken einen Abdruck hinterlässt. Schon Platon sprach vom Eindrücken der sinnlichen Wahrnehmungen in die Seele als Wachs.

Damit wird deutlich, dass tatsächlich ein Eindruck stattfindet, der gemacht wird: Etwas oder jemand macht einen Eindruck, indem es oder er/sie beeindruckt. Ein Mensch macht Eindruck. Vom guten Redner sagt man, er oder seine Rede war beeindruckend. Damit ist mehr gemeint, als nur die Wahrnehmung eines Zimmers, das man betritt oder einer Person, die in ihm sitzt. Wenn eine Rede beeindruckt, dann handelt es sich um die Gedanken, die sie vermittelt, und wenn der Redner beeindruckt, dann sind es seine Rhetorik und Eloquenz im Auftreten, mit denen er sein Publikum fasziniert. Faszinieren kommt von dem lateinischen Wort für Behexung, fascinatio. Der Hörer wird gebannt und bezaubert, und die Rede hinterlässt einen dementsprechend tiefen Eindruck.

Die Atmosphäre macht den Eindruck

Auch Dinge können Eindruck machen. Sie können uns anziehen oder abstoßen. Ähnliches gilt für Atmosphären. Sie beeindrucken immer, auch wenn wir dies nicht immer direkt wahrnehmen. Das können sie allerdings auch. Dann macht etwa eine Landschaft einen traurigen oder der Raum einer Kirche einen ruhigen, ja andächtigen Eindruck. Es ist aber nicht die Landschaft, die den Eindruck macht, sondern die Atmosphäre, die sich in ihr und mit ihr gebildet hat. Und auch in der Kirche ist es nicht das Gemäuer, sondern die ganze Komposition, die auf uns wirkt. Das gilt ebenso im Kaufhaus, das uns mit unterschwelliger Musik und angenehmer Atmosphäre zum Kaufen verführen will, ohne dass wir darauf achten. Hier ist es das Spiel mit unterschiedlichen Atmosphären, dem möglichst unbemerkten Hintergrund, der uns atmosphärisch einschwingen soll, und dem Vordergrund der Produktpräsentation, auf die unser Blick fällt, weil schon das Licht ihn lenkt, und das Produkt entsprechend hervortreten lässt. Kirche und Kaufhaus können Beispiele wahrer Eindruckskunst sein.

Eindrücke können oberflächlich sein, so dass man sich kaum mehr an sie erinnert, oder sie können tief gehen, so dass man bis ins Mark getroffen wird. Sie können sehr stark sein – aber sie können auch täuschen. Eine Person kann glauben, sich klar ausgedrückt zu haben, und trotzdem hat man sie nicht verstanden. Eindrücke sind subjektive Bilder von Situationen, die etwas bedeuten. Die Bedeutung von etwas drückt sich in der Erinnerung ab bzw. ins Gedächtnis ein. Das Gedächtnis ist das Wachs der Seele, in das die Situationen ihre Eindrücke pressen, wenn sie beeindrucken. Und die Bedeutung ist so etwas wie das Wappen des Siegels, also ein intuitiver Zusammenhang, der uns ‚etwas sagt‘. Wir nehmen ihn als bedeutsam wahr; er ergibt für uns Sinn und spricht uns so an, dass wir weitere Zusammenhänge herstellen können.

Eindrücke als sinnliche Vermittlung von Situationen

Ein Eindruck ist die sinnliche Vermittlung einer Situation durch eine Bedeutung. Er hat zwei Eigenschaften: Er ist ganzheitlich und er besitzt (mehr oder weniger) Intensität. Die Intensität des Eindrucks spiegelt die Macht wider, mit der er beeindruckt. Sie zwingt den Beeindruckten in den Bann des Eindrucks, fasziniert oder behext ihn auf eine gewisse Art und Weise. Gefühle bzw. Sympathie und Antipathie können dabei eine entscheidende Rolle spielen. Ähnlich wie bei einem Kippbild, das entweder zwei Gesichter oder eine Vase zeigt, kippt beim ersten Eindruck, den wir von einem Menschen haben, unser Gefühl meist unbewusst ins Sympathische oder Unsympathische. Das bedeutet nicht, dass sich der erste Eindruck nicht mehr ändern oder korrigieren ließe, aber es bedeutet, dass es sich hierbei um eine schwierige Angelegenheit handelt, die meist Zeit und Anstrengung braucht.

Sympathie und Antipathie sind aber nicht nur Gefühle, sondern Atmosphären, und zwar genauer: Atmosphären der Anziehung und der Abstoßung. Sympathie ist anziehend. Man wird durch den Eindruck von jemandem, der sympathisch ist, angezogen oder umgekehrt abgestoßen. Gr. pathos bedeutet Gefühl und es bedeutet Leiden, und es kann sogar Eindruck bedeuten, denn beim Eindruck erleidet man etwas, das man fühlt. Die Intensität eines Eindrucks, also seine ‚Macht‘, vermittelt die Bedeutung des Eindrucks an die Aufmerksamkeit des Beeindruckten. Und da der Eindruck ganzheitlich ist, wirkt sie als Ganzes.

Die Aura als atmosphärische Ausstrahlung

Der beeindruckende Redner, der fasziniert, hat eine gewisse Ausstrahlung, eine Aura. Dieser heute eher in Esoterik-Kreisen beliebte Begriff macht vom Atmosphärischen her einen ursprünglichen Sinn. Walter Benjamin hat einen berühmten Aufsatz über die Aura eines Kunstwerks geschrieben, die durch seine technische Reproduktion verloren geht (vgl. Benjamin 2011). Unsere Vorliebe für Originale bezeugt dies bis in die höchsten Summen, die Liebhaber bereit sind, für sie auszugeben.

Die Aura ist die Atmosphäre, die einen umgibt, die man ausstrahlt, die man mit sich bringt. Jeder Mensch hat eine solche Aura. Jeder Mensch bringt seine Atmosphäre mit sich; er wird von ihr getragen oder trägt sie, muss sie ertragen. Deshalb verändern Menschen die Atmosphäre, wohin sie kommen. Es ist wichtig, für die Atmosphäre eines Menschen offen zu sein, um einen Eindruck von ihm zu bekommen. Denn dadurch kann man sich einen Eindruck machen bzw. sogar ‚machen lassen‘ – je nachdem, ob der Mensch beeindruckt oder nicht, dies will oder nicht weiß, welchen Eindruck er macht. Aber wer weiß das schon, vor allem beim ersten Eindruck, der oft zufällig ist. Aber dieser ist umso wichtiger, denn er entscheidet, wie es weiter geht, wie der ‚zweite‘ Eindruck aufgenommen wird. Die Macht des ersten Eindrucks, der gleichsam ‚frisch‘ ist, kann genutzt werden, um mit dem zweiten Eindruck die Atmosphäre zu stärken, so dass sich die Beziehung in die gewünschte Richtung entwickelt. Höflichkeit etwa macht meist einen guten Eindruck; wenn sie echt ist und nicht aufgesetzt. Ist sie aufgesetzt, verdirbt sie die Atmosphäre. Ist sie echt, macht man einen höflichen Eindruck und stimmt den anderen – sofern dieser nicht gänzlich ‚zu‘ ist – positiv. Ist eine Führungskraft ‚zu‘, ist sie blind gegenüber der Atmosphäre. Atmosphären-Blindheit gilt es zu vermeiden. Denn wer blind für die Atmosphäre ist, hat einen falschen Eindruck! Atmosphärische Führung ist in diesem Sinne immer auch ‚Eindruckskunst‘.

Literatur

Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Mit Ergänzungen aus der ersten und zweiten Fassung, Stuttgart 2011