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Führung im Gesundheitswesen – eine Frage des Stils?

Der wirtschaftliche Erfolg und die Qualität der Leistungen in medizinischen Einrichtungen hängen wesentlich von der Führungskompetenz leitender Personen an. Da der autoritär-hierarchische Führungsstil inzwischen ausgedient hat, zeigt der Beitrag ein Spektrum von sechs Führungsstilen auf, von denen drei für die Führung im Gesundheitswesen grundsätzlich geeignet, situativ aber sehr unterschiedlich zu beurteilen sind.

Gute und schlechte Führungsstile

Das System der atmosphärischen Führung unterscheidet Führungsstile anhand von zwei Kriterien. Erstens, ob sie auf Sog (Attraktion) oder Druck (Repulsion) beruhen und zweitens, wie ausgeprägt die Hierarchie in der Führungsbeziehung ist. Bei hoher Hierarchie führt die Führungskraft exklusiv, bei mittlerer Hierarchie variabel und bei flacher Hierarchie inklusiv. Kombiniert man beide Kriterien, lassen sich sechs Führungsstile ableiten:

 

Persuasive Führung durch Überzeugung

Die persuasive Führung ist ein Führungsstil mit ausgeprägter Hierarchie, die aber keine Druck-, sondern eine Sogwirkung erzeugt. Hierbei geht es um ein „Führen durch Überzeugung“. Die Impulse gehen überwiegend von der Führungskraft aus, die als positive Autorität wahrgenommen wird. In der Literatur wird diese Art der Führung oft als transformational bezeichnet.

Eine solche Autorität kann z. B. von der besonderen Kompetenz einer Führungskraft, einer glaubhaft vermittelten Vision oder ihrer charismatischen Ausstrahlung ausgehen. Persuasive Führungskräfte sind in der Lage, ihre Mitarbeiter*innen zu inspirieren und sich für sie einzusetzen. Insbesondere in Krisen- und Notfallsituationen kann es vorteilhaft sein, den Interpretationsspielraum durch die Exklusivität der Führungskraft zu minimieren. Prallen im Alltag verschiedene Berufsgruppen mit jeweils sehr unterschiedlichen Perspektiven aufeinander (z. B. Ärzt*innen, Pflegekräfte, Manager*innen), kann diese Art der Führung aber auch einem freien Fließen der verschiedenen Sichtweisen im Wege stehen.

Partnerschaftliche Führung auf Augenhöhe

Die partnerschaftliche Führung ist ein auf Sog beruhender Führungsstil, bei dem die Führungskraft bezüglich ihrer Stellung sehr variabel agiert. Diese Art der Führung beruht auf einem „Führen auf Augenhöhe“. Im Vordergrund steht die Ausgewogenheit in der Rollenverteilung von Aktivitäten, Ideen und Vorschlägen. Die Führungskraft gibt immer wieder Impulse, nimmt sich aber auch zurück, um den Mitarbeitern Raum zur Entfaltung zu geben und sie in Entscheidungsprozesse mit einzubeziehen.

Durch partnerschaftliche Führung kann beispielsweise ein reichhaltiger Austausch der Perspektiven zwischen Ärzt*innen und Pleger*innen in Gang gesetzt werden, um bei Problemlösungen mehrere Facetten zu berücksichtigen. Dies fördert einen respektvollen Umgang gefördert, der sich wiederum positiv auf das Arbeitsklima auswirkt. In der Literatur wird diese Art der Führung auch Shared Leadership oder Distributed Leadership genannt, der im Gesundheitswesen eine zunehmende Bedeutung zugemessen wird.

Korporative Führung durch Empathie

Die korporative Führung ist ein inklusiver Führungsstil, der über ein „Führen durch Empathie“ eine Sogwirkung erzeugt. Die Führungskraft ist in erster Linie Befähiger*in (Enabler) und rückt die Bedürfnisse und Sichtweisen der Mitarbeiter*innen in den Mittelpunkt. Sie tritt hinter das Team zurück, um es aus dem Hintergrund zur Entfaltung zu bringen. Dennoch gibt sie ihren Einfluss nicht gänzlich auf und greift punktuell ein, um Impulse zu geben und korrigierend einzugreifen und die Zielerreichung sicherzustellen.

Eine Studie über Führung in Krankenhäuser zeigte, dass Pflegekräften ein überdurchschnittliches Engagement zeigen, wenn sie von ihrer Führungskraft individualisierte Unterstützung erfahren haben. Dies spricht für einen inklusiven Führungsstil. Demgegenüber schien für Ärzt*innen eher ein exklusiver bis variabler Führungsstil geeignet.

Auch für die Arzt-Patienten-Kommunikation ist ein inklusiver Führungsstil wesentlich. Jeder Patient hat andere Bedürfnisse und benötigt individuelle Zuwendung. Studien belegen, dass ein Zuhören d* Ärzt*in bei der Schilderung d* Patient*in während der ersten 15 Sekunden ohne Unterbrechung und mit stetigem Augenkontakt die Chancen signifikant erhöhen, dass Patient*innen sich besser verstanden fühlen und die vorgeschlagenen Therapien auch durchführen.

Drei Möglichkeiten schlechter Führung

Im Gegensatz zu den attraktiven Führungsstilen basieren die repulsiven Führungsstile auf Druck. Sie weisen eine geringere Effektivität auf, da sie generell gemeinsame Perspektiven verhindern. Bei der exklusiv-repulsiven Führung agiert die Führungskraft als Tyrann. Dieser „Befehl von oben“ entspricht dem klassisch hierarchisch-autoritären Führungsstil von Chefärzten früherer Zeiten. Er gilt aufgrund seiner nachgewiesenen Wirkungslosigkeit als nicht mehr zeitgemäß. Bei den Betroffenen löst er meist Stress und Widerstand aus, zu einem gemeinsamen Verständnis trägt er zudem wenig bei.

Bei der variabel-repulsiven Führung ist die Hierarchie weniger ausgeprägt, was dazu führt, dass sich die Arbeit (ebenfalls ineffektiv) in ständigen Grabenkämpfen erschöpft. Hat eine Führungskraft überhaupt keine Autorität, geht der Druck von anderen aus; die Führungskraft verkommt zur Witzfigur.

Fazit

In Bezug auf die drei Formen attraktiver Führung lässt sich in der Forschung zu Führung im Gesundheitswesen zwar ein klarer Trend zu inklusiveren Formen der Führung feststellen, eine generelle Handlungsempfehlung kann jedoch nicht ausgesprochen werden. Krisensituationen verlangen gegebenenfalls eine andere Form der Führung wie die täglichen Gespräche mit Patienten oder die Abstimmung zwischen verschiedenen Berufsgruppen – und nicht zuletzt muss der Führungsstil auch zur Führungskraft passen, denn Führungsstile lassen sich nicht wie Instrumente beliebig einsetzen. Sie müssen passen. Für andere, aber auch zu einem selbst.

Literatur

Julmi, Christian/Rappe, Guido: Eine Frage des guten Stils, in: Deutsches Ärzteblatt 116 (45/2019), S. 2096-2097